Regen.

Leise trommelt er gegen die Scheibe, erzählt Geschichten von der Welt dort draußen.
Ein einziger Regentropfen hat so viel mehr zu erzählen, als es ein Mensch jemals könnte. Als immerwährender Kreislauf zieht er schon seit Äonen durch die Welt, zerstreute sich, setzte sich neu zusammen und gebar sich schon tausendmal auf's Neue, gleich einem Phönix, der aus der Asche steigt.

In meinem Kopf regnet es oft. Manchmal vermag ich den Gesang der Regentropfen zu verstehen. Ihre Erzählungen formen sich, wandeln sich. Wie ein Regentropfen selbst.
Sie verändern sich, bis sie durch meine Finger als dicke, schwarze Tinte, die sich mit meinem Herzblut mischte, in weißes Papier gesogen werden und dort als immerwährende Geschichten weiterleben. Beständig, gleich einem Berg. Unveränderlich und stark.

Erklimmen Sie mit mir meine Berge und lassen Sie uns die Aussicht genießen.




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Mittwoch, 22. September 2010

Arbeitsprobe VI - Samsara (Kurzgeschichte)


Dies ist eine Geschichte, die auch schon sehr viele Jahre auf dem Buckel hat. Ich schrieb sie damals, wie könnte es anders sein, in einer kindlichen Phase von Liebeskummer. Ich glaube, das war etwa im Jahr 2004.

Der Gedanke, dass das Ziel der Begierde so weit weg ist, dass man geduldig ausharren muss, die damit verbundenen Hoffnungen und Gedanken wollte ich hierbei ein wenig einfließen lassen.




Samsara blendete alle anderen Gedanken aus. Ihre ganze Konzentration richtete sich auf die vertraute Stimme in ihrem Kopf. Samiels Stimme. Ein wohliges Gefühl durchfuhr ihren Magen, als sie allein nur an seinen Namen dachte. Sie hatte ihn erst ein paar Mal gesehen und das war auch schon sehr lange her, doch vergessen konnte sie ihn nie. Oft hatte die junge Frau mit ihm über ihre Gedanken kommuniziert. Ja, sie hatte selbst nie an telepathische Fähigkeiten geglaubt, bis sie selbst in der Lage war, solch eine verblüffende Gabe zu nutzen. 

„Wie geht’s dir, Kleines?“ Unwillkürlich musste sie lächeln. Aprubt unterbrach Samsara ihren Schritt, blieb stehen wo sie war und ignorierte die Menschen, die sie anrempelten und sich an ihr vorbeidrängten genauso wie deren Ausrufe. 
„Besser könnte es mir nicht gehen... und dir?“ 
In Gedanken strich sie Samiel sanft über die Wange und konnte die Wärme seiner Nähe spüren, als würde er vor ihr stehen. 
„Jetzt so gut wie nie... ich vermisse dich!“ 
Erneut stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie seufzte. 
„Ich dich auch... wann sehen wir uns nur endlich wieder? Meine Lippen sehnen sich nach den Deinen, meine Fingerspitzen schmerzen bei dem Gedanken, deine Haut zu berühren und mein Herz blutet bei dem Gedanken, dass du nicht da bist...“ 
Sie fühlte sich in eine Wolke von Wärme eingehüllt, als sie seine Zustimmung fühlte. Die Knie wurden ihr weich und aus Angst, nicht länger stehen zu können, trottete sie an die nahegelegene Mauer, an die sie sich lehnen konnte. 
„Bald, meine Liebste... bald! Gib mir Zeit. Dann bin ich immer für dich da.“ 
Sie spürte einen Hauch auf den Lippen wie von einem Kuss. Unwillkürlich fuhr sie mit den Fingern darüber, als wolle sie das Gefühl festhalten. 
„Ich warte auf dich, mein Liebster! Wenn es sein muss, bis an das Ende der Welt...“ 
Dann spürte Samsara, wie der Kontakt abriss und wie immer, wenn sie den Gedankenaustausch beendete,  fühlte sich leer. Leer, wie ein Glas Wasser, das man ausgetrunken hatte. 

Sie zwang sich, das Zittern in ihren Knien zu unterbinden und atmete tief durch. Doch schon musste die junge Frau wieder lächeln. Ja, er wird kommen. Und sie würde auf diesen Tag warten. Tief durchatmend, voller Zuversicht und festen Schrittes trat sie wieder in die Menge, die Hand auf ihren Schwertknauf gelegt, und stolzer blickend als sonst. Der Tag wird kommen.

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