Regen.

Leise trommelt er gegen die Scheibe, erzählt Geschichten von der Welt dort draußen.
Ein einziger Regentropfen hat so viel mehr zu erzählen, als es ein Mensch jemals könnte. Als immerwährender Kreislauf zieht er schon seit Äonen durch die Welt, zerstreute sich, setzte sich neu zusammen und gebar sich schon tausendmal auf's Neue, gleich einem Phönix, der aus der Asche steigt.

In meinem Kopf regnet es oft. Manchmal vermag ich den Gesang der Regentropfen zu verstehen. Ihre Erzählungen formen sich, wandeln sich. Wie ein Regentropfen selbst.
Sie verändern sich, bis sie durch meine Finger als dicke, schwarze Tinte, die sich mit meinem Herzblut mischte, in weißes Papier gesogen werden und dort als immerwährende Geschichten weiterleben. Beständig, gleich einem Berg. Unveränderlich und stark.

Erklimmen Sie mit mir meine Berge und lassen Sie uns die Aussicht genießen.




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Mittwoch, 22. September 2010

Arbeitsprobe II - Die Schrift des Schicksals


Dieser Text entstand als Prolog für eine Geschichte, die ich träumte. Diesen Traum fand ich so schön, dass ich gedachte, ihn aufzuschreiben.

Mein Ziel ist es, hieraus eine längere Geschichte zu spinnen, die allerdings noch in den Kinderschuhen steckt.

Die Vorgeschichte fand ich jedoch passend, um sie hier vorzustellen.

Die Arbeit entstand im Jahr 2010.





Die Sonne war schon lange untergegangen, als Kieran aus dem Schlaf schreckte. Irgendetwas hatte ihn geweckt, doch er konnte nicht sagen, was es war. Seine Augen suchten die Dunkelheit der Hütte ab, die er mit seinen Eltern teilte, doch er konnte selbst in der Dunkelheit nichts Ungewöhnliches erkennen. Ihm war mulmig zumute, er verspürte fast schon Angst. „Da ist nichts… es ist alles beim Alten…“ beruhigte er sich selbst und legte sich wieder hin. Doch die Augen bekam er nicht zu, das Gefühl verstärkte sich. Kieran lauschte. Schon immer hatte er ein sehr empfindliches Gehör, konnte Dinge hören, die noch weit entfernt geschahen. Für Kieran war das Segen und Fluch zugleich. Er hörte viel zu viel, was er nicht hören wollte.  
Doch in dieser Nacht rettete es ihm zumindest das Leben. 

Als er angestrengt in die Dunkelheit lauschte, schien es ihm als höre er den Klang von Metall, das auf Metall schlug, viele Schritte und gedämpfte Stimmen. Verwirrt öffnete er die Augen. Was konnte das bedeuten?
Kieran stand auf, zog sich an und ging vor die Hütte. Ja, da kamen Menschen. Aber mitten in der Nacht? In den zehn Jahren seines Lebens hatte er dieses helle Klappern von Metall noch nie gehört – die Werkzeuge hatten einen viel dumpferen Ton. Aber er war sich sicher, dass es Metall war. Was könnte es sonst sein? Dank seines Gehöres hatte er des Öfteren Gespräche von den Erwachsenen gehört, dass die Metallmenschen nichts Gutes im Sinn haben und bestimmt eines Tages kommen würden.
War heute dieser Tag? Oder diese Nacht? 

Ein wenig ratlos sah er sich um und sein Blick erfasste den nächsten Baum. Schnell kletterte er hinein, sprang in die nächste Krone, bis er den Dorfrand erreicht hatte. Dort hielt er inne und lauschte erneut.
„Da vorn ist es, ich kann es förmlich riechen. Wie man in dem Muff leben kann, ist mir ein Rätsel. Dafür muss man wohl wirklich ein Tier sein. Pfui Teufel.“ Das war eine männliche Stimme gewesen, sehr jung.
„Haltet endlich eure Klappe. Wir sind in ein paar Schritten da, ihr solltet aufpassen, dass Ihr besser niemanden mit Eurem gottlosen Gemecker weckt, Korand!“, zischelte eine herrische, weibliche Stimme, woraufhin nur noch ein leises „Ja, Herrin Valadis“ von der Stimme davor erklang.
Kieran stutzte. Sie kamen des Nachts, wollten niemanden wecken? Ihm graute. Ihre Nachricht war wohl unmissverständlich. Die einzige Kunde, die sie zu überbringen gedachten, war der Tod. 

Oben in der Krone des Baumes angekommen, konnte er die Truppe sehen. Sie waren tatsächlich fast im Dorf. Es war zu spät, um die Anderen zu warnen, seine Eltern zu wecken. Sein Blick wanderte fieberhaft zwischen seinem Haus und der Gruppe hin und her und es breitete sich eine unheimliche Nervosität bei ihm aus. Ihm dämmerte, was geschehen würde. Er würde nichts tun können. Verzweifelt blickte er wieder auf die Wegmündung, unfähig sich zu rühren. Angst wechselte seine Nervosität ab.
Schließlich trat die Frau, Herrin Valadis, vor. Sie bewegte die Arme wie im Tanz, drehte sich um die eigene Achse und murmelte etwas. In der rechten Hand hielt sie dabei einen langen Stab, an dessen Ende sich ein großer, roter Kristall befand. Er schien zu pulsieren, solange sie diese seltsamen Gebärden vollführte.  Obwohl Kieran vom Baumwipfel springen und jeden warnen wollte, war er wie gelähmt. Völlig gebannt blickte er Valadis an. Schließlich hörte sie auf und er schüttelte benommen den Kopf. Was sollte er jetzt tun? Und was war das gerade? Seine Kehle fühlte sich seltsam trocken an. 

Valadis seufzte. „Okay, alle sind gelähmt und verstummt. Jetzt tut, wozu ihr hier seid, aber beeilt euch. Ich bin müde und möchte vor Morgengrauen wieder in meinem Turm sein.“
Kieran klappte der Mund auf. Gelähmt? Verstummt? Diese Frau hatte alle hier verzaubert? Was war das für eine feige Methode? Der gelangweilte Gesichtsausdruck Valadis‘ tat sein Übriges dazu. Sie hatte gerade das Schicksal des gesamten Dorfes in die Hand genommen, den Befehl gegeben, dass alle Menschen hier ausgerottet wurden… und tat es mit einem gelangweilten Gähnen ab! Das machte ihn rasend. Seine kleinen Hände ballten sich zu Fäusten und mit Tränen in den Augen wollte er schreien. Er sah, wie die Krieger von Hütte zu Hütte marschierten, hineingingen, nach einer kurzen Zeitspanne wieder herauskamen,  mit rotem Glanz auf den Schwertern. Die Wuttränen rollten Kieran unentwegt über die Wangen, als einer der Männer in das Haus seiner Eltern gingen. Er klammerte am Baum, als hinge sein Leben davon ab. Er schrie. Alles, was er fühlte versuchte er herauszuschreien. Doch es kam kein Ton heraus. Der Zauber der Hexe reichte bis zu ihm hinauf! Er spürte die Stille wie eine Glocke über dem Dorf hängen. Verfluchte Zauberei! Wie er sie hasste, kaum dass er sie kannte! In einem ehrlichen Kampf wäre das Dorf nicht ausgerottet gewesen, es hätte sich gewehrt, hätte ehrenvoll gekämpft! Sein Herz krampfte sich zusammen, als er das Feuer roch, dass nun in jedes Haus gelegt wurde. Er sackte auf seinem Ast zusammen und weinte lautlos. Er konnte es nicht ertragen, noch einmal herunterzusehen. Zu sehen, wie Valadis gelangweilt wartete, sich einen neugierigen Käfer vom dunkelroten Stoff ihrer Robe schnickte oder nach anderen Bewohnern des Waldes trat. Solch eine Naturverachtende Person konnte und wollte er nicht noch einmal erblicken. Er hörte lediglich, wie sich die schweren Schritte der Kriegsmenschen um sie scharten und ihre bittersüße Stimme ihre Taten rühmte. Schließlich gab sie Befehl zum Abmarsch und eine neue Stille kehrte in sein Dorf ein. Sie war unheimlich und roch nach Tod und Rauch. 

Noch lange saß Kieran auf seinem Ast und weinte. Erst als die Sonne aufging, schrie er ihr sein Leid entgegen. Er schrie, bis kaum mehr ein Laut als ein Flüstern aus seinem Mund kam.
Was sollte er jetzt tun? Er war nicht mehr als ein Kind… doch er kannte die Antwort bereits, noch während er sich selbst diese Frage stellte. Er musste weiterleben. Als der letzte Überlebende seines Dorfes. Er würde eine Möglichkeit finden, sie irgendwann zu rächen. Und wenn seine Rache darin bestehen möge, jeden einzelnen Magier oder Zauberer auf dieser gottverlassenen Welt den Schmerz beizubringen, den er noch lange mit sich herumtragen musste.

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