Regen.

Leise trommelt er gegen die Scheibe, erzählt Geschichten von der Welt dort draußen.
Ein einziger Regentropfen hat so viel mehr zu erzählen, als es ein Mensch jemals könnte. Als immerwährender Kreislauf zieht er schon seit Äonen durch die Welt, zerstreute sich, setzte sich neu zusammen und gebar sich schon tausendmal auf's Neue, gleich einem Phönix, der aus der Asche steigt.

In meinem Kopf regnet es oft. Manchmal vermag ich den Gesang der Regentropfen zu verstehen. Ihre Erzählungen formen sich, wandeln sich. Wie ein Regentropfen selbst.
Sie verändern sich, bis sie durch meine Finger als dicke, schwarze Tinte, die sich mit meinem Herzblut mischte, in weißes Papier gesogen werden und dort als immerwährende Geschichten weiterleben. Beständig, gleich einem Berg. Unveränderlich und stark.

Erklimmen Sie mit mir meine Berge und lassen Sie uns die Aussicht genießen.




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Donnerstag, 16. September 2010

Arbeitsprobe I - Anno 1404 - Erzählung




Für die Making-Games-Talents-Messe in Frankfurt war es mein Ziel, mich bestmöglich für die eingeladenen Firmen vorzubereiten.
Natürlich möchte man sich und sein Talent im besten Licht dastehen lassen.

Aus diesem Grund habe ich mir ein kleines Projekt erarbeitet:
Zu verschiedenen Firmen werde ich eine eigens geschriebene Textform zu einem Bild derer Spiele schreiben.

Hier handelt es sich um ein Bild aus dem Spiel "Anno 1404" von der Firma Related Designs.
Mein Ziel war es, eine Erzählung zu schreiben.
Aus der Projektreihe "Bild zum Spiel" ist dies meine Lieblingsgeschichte geworden.




„Onkel Quentin! Erzähl uns nochmal die Geschichte von der östlichsten Insel! Bitte!“ Carol, der Älteste der drei Jungen zog dem älteren Mann, der es sich auf dem Sessel bequem gemacht hatte, am Ärmel.
„Bitte! Petar und Jol möchten sie auch noch einmal hören!“
Der Alte seufzte resigniert und legte sein Buch beiseite. „Also gut... dann kommt mal alle drei her.“
Seine freundliche Stimme klang warm und einladend. Die drei Buben, alle nicht älter als 6 Jahre alt, scharten sich sogleich zu seinen Füßen. Quentin schob sich die schwere Brille auf der Nase zurecht und stopfte sich anschließend sein Pfeifchen.
Er hatte das Glück, zum Adel der Insel zu gehören. Diesen Umstand verdankte er seiner Reise zu der östlichsten Insel und der Tatsache, dass er es geschafft hatte, die Einwohner als Handelspartner zu gewinnen.

„Nun gut, Kinder. Es war Anno 1404, als wir mit unserem Schiff, der „Minna“ unseren Hafen hier in Granatien verließen. Ihre weißen Segel leuchteten majestätisch, ihre Masten hoben sich stolz gen Himmel. Die Sonne stand hoch und hell, keine Wolke trübte den Horizont. Unsere Lagerräume waren zum bersten voll mit den von uns hergestellten Handelsgütern Werkzeuge, gutes Holz aus unseren Wäldern, Baumwolle, Wein und unsere feinen Wollstoffe. Unser Ziel waren die warmen Inseln, auf denen wir kurz vorher einen Eingeborenenstamm entdeckten.“
Er zog an seiner Pfeife.
„Sind das die, von denen du deinen Tabak bekommst, Onkel Quentin?“ fragte Petar neugierig.
„Ja, genau diese. Die Rothäute, mit den großen Federn auf dem Kopf. Doch wir kamen dort, zumindest an jenem Tag, nicht an.
Als wir nur noch eine Tagesreise von ihnen entfernt waren, gerieten wir in einen furchtbaren Sturm. Drei Tage und drei Nächte wurden wir auf den Wellen hin- und hergeworfen. Der alte Smoerre glaubte, ein Seeungeheuer gesehen zu haben. Wir bekamen ihn nicht mehr aus seinem Krähennest heraus, bis wir Himmel von Wasser wieder unterscheiden konnten.“

Die Kinder johlten. „Smoerre glaubt auch an Banshees!“, warf Petar ein. Onkel Quentin lachte leise in seinen Bart hinein.
„Da magst du recht haben, Naseweis. Aber lass ihn das nicht hören! Du weißt, er ist empfindlich!“, flüsterte er den Kindern verschwörerisch zu.

„Wo waren wir stehen geblieben... ach ja, genau.
Wir waren sehr weit vom Kurs abgekommen. Das Unwetter hat uns geradewegs mitgezogen.
Wir hatten vollkommen die Orientierung verloren, kannten keine Sterne über uns. Nur der Schein von Sonne und Mond sowie das Knarzen des Schiffes waren uns vertraut. Das Wasser um uns war weit und weiter, dunkel und undurchdringlich. Der Horizont vermochte uns keine Richtung weisen.

Unsere Vorräte waren für eine solch lange Reise nicht vorgesehen und wir mussten sparsam mit dem umgehen, was uns blieb. Der Magen begann zu knurren, der geladene Wein verringerte sich auf mysteriöse Weise und die Mannschaft wankte in heimlicher Trunkenheit über das Deck. Doch alles Grübeln und Warten half nichts. Wir entschlossen uns, eine Richtung zu wählen und entlang zu segeln, bis wir eines Zieles gewahr wurden.

So vergingen weitere 3 Tage. Die Mägen knurrten immer mehr, die Männer wurden müde. Der Wein versprach keinen Trost mehr. Doch dann hörten wir plötzlich das erlösende „Land in Sicht“. Sogleich sprang jeder an die Reling und spähte gen Horizont. Und tatsächlich. Dort war Land. Es sah sehr fremd aus. Die Berge, die uns entgegenstrahlten waren braun, ihr Boden sandig und gelb, als hätte die Sonne, die unbarmherzig darauf scheint ihre strahlende Farbe an ihn abgegeben. Man sah keine Bäume, abgesehen von ein paar Palmen und Dattelbäumen. Zwiebeltürme und seltsame Dächer hoben sich uns entgegen. Alles wirkte sehr bunt, man sah Zierwerk aus kleinen Mosaiksteinchen und eleganter Malerei. Der Anblick war so anders von dem, was wir kannten. Staunend blickten wir, Mann an Mann, den fremden Bauten entgegen.

Wir wussten natürlich nicht, ob man uns willkommen heißen oder zum Teufel schicken würde, doch wir mussten es herausfinden, wenn wir nicht verhungern wollten.

Man begrüßte uns mit Argwohn.
Das Oberhaupt des fremden Volkes stand uns mit ernster Miene gegenüber, er hatte einen prächtigen Turban auf dem Kopf, gewandet in feinste Seide in allen Farben des Regenbogens. Er verbeugte sich vor uns, begrüßte uns in fremder Zunge.
Flankiert wurde er von ernst dreinblickenden Kriegern, allesamt junge Kadetten, die kaum Bartwuchs hatten. Anspannung lag in der Luft, schließlich wussten sie nicht, welche unsere Gesinnung war. Immer mehr Menschen kamen zum Hafen.
Die Einwohner dort sahen ganz anders aus als wir. Sie hatten tiefe, dunkle Augen, ihre Haut war dunkel und braungebrannt, ihr Haar dunkel und seidig, ihre Sprache konnten wir, wie ich bereits erwähnte, nicht verstehen.
Doch dem Kapitän und mir als Botschafter gelang es, ihnen klarzumachen dass wir in Frieden kamen. Sie erklärten sich bereit, mit uns zu handeln. Unser Wein schmeckte ihnen, unsere Stoffe gefielen. So durften wir daraufhin auch ihre Kultur kennenlernen.
Ihre Nahrung schmeckte scharf und würzig, ihr Schnaps wärmte und brannte ordentlich und ihre Kultur war sehr ausgeprägt.
Wir tanzten und sangen die ganze Nacht, große Feuer wurden entzündet. Wir waren berauscht und beeindruckt, diese Menschen waren sehr gebildet. Ihre Kultur bedeutete ihnen sehr viel, wie sie uns klarmachten. Wir durften Schaukämpfe sehen, bei welchen sich die jungen Burschen mit langen, sichelförmigen Schwertern schlugen. So schnell, dass unser Auge es kaum sehen konnte. Ihre Frauen, die allesamt in bunte, durchsichtige und mit Glocken behangenen Gewändern gekleidet und deren Gesichter mit einem Schleier bedeckt waren, bereiteten uns ein Schauspiel von Tanz und ihre melancholische und herzzerreißende Musik zog uns allesamt in ihren Bann. Ihre Gastfreundlichkeit war schier überwältigend. Schließlich halfen sie uns, unseren Heimweg zu bestimmen und wir mussten versprechen, wiederzukommen. Und das taten wir.

Mittlerweile reisen wir seit vielen Jahren zu den Sarazenen. Und mit Stolz können wir sagen, dass wir die einzigen Handelspartner sind, die sie akzeptieren. Doch ich schweife ab. Schließlich möchte ich euch noch das Ende der Reise erzählen."

„Gab es wieder ein Seeungeheuer, Onkel Quentin?“ Fragte der kleine Jol. Seine braunen Augen schauten ihn tief beeindruckt an.
„Nein, diesmal kamen wir sehr gut durch. Wir entdeckten das weite Meer, über welches uns der Sturm gepeitscht hatte in seiner vollen Pracht. Schließlich waren wir wieder in bekannten Gewässern. Die Vorfreude auf die Heimat stieg mit jedem Tag, den wir Granatien näher kamen. Schließlich konnten wir unsere Frauen wieder in die Arme schließen, unseren Kindern mitgebrachtes Spielzeug schenken und die fremden Waren vorzeigen. Für jeden von uns war diese Reise sehr abenteuerlich und schlussendlich sehr schön geworden.
Doch wisst ihr, welcher der schönste Anblick auf der gesamten Reise war?“ Onkel Quentin lächelte, die Pfeife zwischen den Lippen.

Carol sprang auf. „Bestimmt waren es die Krieger und die Frauen!“ Stolz schwellte er die Brust, während er sprach. Zweifelsohne hatte er dies von seinem Vater gehört, denn der sprach nur zu gern von Krieg und Frauen.

Jol versuchte sich als Zweites. „Das Land? Du hast erzählt, dass es da ganz anders aussieht als hier?“

Schließlich sprach Petar. „Nein. Bestimmt meint er das Wetter. Dort soll es immer warm sein, nicht so viel Regen wie hier. Onkel Quentin sagt doch immer, dass ihm die Knochen wehtun, wenn das Wetter schlecht wird!“ Petar wahrte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, während er sprach.

Schließlich blickten sie alle drei dem alten Quentin ins Gesicht, um eine Antwort zu erhalten.

Er ließ sich Zeit und zog noch einmal an seiner Pfeife, die mittlerweile fast erloschen war.
„Nein, meine Jungen. Das war alles sehr aufregend, sehr neu und wundervoll... doch das schönste, was ich erblicken konnte waren die Türme unserer wunderschönen Kathedrale, die sich auf unserer Rückfahrt am Horizont abzeichneten. Der erste süße Klang ihrer Glocken, unseren Hafen mit dem heimischen Banner. Wir erblickten unsere Häuser, unsere Berge, die sich gleichauf unserer Kathedrale erhoben. Man roch den Wind, den man schon sein Leben lang gerochen hatte, sah schließlich erste Gesichter, die man kannte.
Die ganze Stadt schien sich am Kai versammelt zu haben, zweifelsohne hatte man uns verloren geglaubt. Man winkte uns mit bunten Taschentüchern, Freudentränen mischten sich mit der rauen Gischt des Meeres.
Dies sind Bilder, die man sein ganzes Leben lang in seinem Herzen mit sich trägt."
Verträumt blickten Quentins Augen ins Leere, sahen die Szenerien jener Tage vor sich, als wäre es gestern gewesen.

Versonnen blickte er auf seine drei Neffen.
"Merkt euch eines, Kinder. Zuhause ist immer der schönste Ort. Das dürft ihr niemals vergessen. Eure Herzen kennen ihr Zuhause.“

Damit beendete Onkel Quentin seine Erzählung. Schon bald darauf schickte er die drei Jungen ins Bett. Sehnsüchtig wandte er spätnachts seinen Blick aus dem Fenster. Dieser ging weit weg, viele Tagesreisen weit. Heute Nacht würde er von den fernen Wüsteninseln träumen, die er einst entdeckt hatte.





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